The Witcher
Ein Gegen-Tolkien. Endlich.
Am Beginn des Textes gleich einmal eine Kernthese: The Witcher ist ein anti-rassistisches RPG. Wenn man sich den Herrn der Ringe als Urtext des Genres einmal mit etwas kritischer Distanz zu Gemüte führt, bleibt ein gewisser Nachgeschmack zurück. Tolkien hat hier - natürlich als Zeitzeuge des 2. Weltkriegs - eine zutiefst rassistische Welt entworfen, die wenn man ganz böswillig sein möchte, in einzelnen Facetten leicht faschistoide Züge annimmt. Mit den Orks und ihrem Herren Sauron gibt es eine klar definierte Untermenschen-Klasse plus diabolischem Führer, mit denen es jeder so bunt treiben kann, wie er möchte. Auf der anderen Seite gibt es die Guten, die im Grad ihrer Perfektion nach Volks- und damit Rassenzugehörigkeit klar abgestuft werden. Überall dräut es bedeutungsschwanger von Erbschuld, dem dünner werden einstmals dickeren Blutes, sinkendem Kulturgut usw. Die einzige Figur, die wegen ihrer nicht in dieses Schema passenden Ambivalenz aus diesem erzkonservativen Schwulst herausragt und auch literarische Substanz hat, ist Gollum. Ach ja: und Frauenfiguren konnte Tolkien überhaupt nicht. Von dem Schreiben über Sex mal gar nicht zu reden. Tandaradei im Mondenschein.
Eine ganze Menge von diesem Ballast schleppt die Fantasy seither noch immer mit sich durch die Gegend. Natürlich gab es hin und wieder mal Versuche, das starre Schema zu durchbrechen. Stan Nicholls mag einem da beispielsweise einfallen. Ich glaube trotzdem, dass es letztendlich Andrzej Sapkowski war, der den gordischen Knoten durchschlagen hat. Seinen Hexer Geralt ersann er irgendwann in den ausklingenden 1980er Jahren. 1990 erschienen in Polen einige erste Kurzgeschichten, die ob ihrer einzigartigen Mischung aus
deutscher und slawischer Sagen- und Märchenwelt und ihres derben literarischen Tones, der sich mal wie eine Parodie des klassischen Fantasy-Genres und mal wie pure Comedy liest, recht schnell Aufmerksamkeit erregten. Der narbenübersäte Geralt ist ein freischaffender, genmutierter Monsterschlächter, der sich mehr schlecht als recht in einer an das europäische Hochmittelalter angelehnten High-Fantasy-Welt über Wasser hält, in der mehr oder weniger jeder Dreck am Stecken zu haben scheint, Intrigen spinnt, das Gegenüber auszutricksen und zu übervorteilen sucht, Schwächere drangsaliert, Minderheiten verabscheut, Frauen
missbraucht und überhaupt ein moralisches Schwein ist. Nicht selten erweisen sich ausgerechnet die Monster, die Geralt für Geld mit Hilfe seiner Schwertkünste und magischen Tricks erschlagen soll, als Opfer der Umstände, wird Gut in der Auflösung der Geschichte zu Ungut, erweist sich das scheinbare Opfer als Täter. Und auch die sonst so gern als moralisch höher stehend geschilderten Elfen mischen in diesem abgründigen Reigen munter mit. Eine Welt der ambivalenten Grautöne, in der alles einen doppelten Boden hat. Und durch die
Geralt stolpert wie Don Quichotte. Allerdings mit mehr Schlag bei den Frauen.
Das Ganze war so offensichtlich anders als die übliche Fantasy, dass Sapkowski aufgrund des großen Interesses und weil er das Potenzial seiner Figur sah mit einem fünfteiligen Romanzyklus nachlegte. Die Geschichte wird damit zwangsläufig größer und schwerer (durchaus vergleichbar mit Tolkiens Schritt vom Hobbit zum Herrn der Ringe) – ohne dass sie aber ihre Sicht auf die Dinge Preis gäbe. Intrigen der Mächtigen überall, blutige Bürgerkämpfe, auf denen keine Seite die Moral für sich gepachtet hat, Elfen und Zwerge, die in einer für sie immer kleiner werdenden Welt häufig zu genauso großen Rassisten geworden sind wie ihre menschlichen Widersacher, korrupte Könige, faschistoide Zauberer, Mord und Totschlag auf dem Rücken der Schwächsten. Und zwischen allen Fronten der Außenseiter und ganz bestimmt nicht Retter der Welt Geralt, der versucht, sich auf keine Seite ziehen zu lassen und zumindest seinen engsten Freunden das Leben zu retten. Gute, spannende
Unterhaltungs-Literatur mit Grips.
Es ist das große Verdienst von CD Projekt, diese Welt kongenial in ein RPG auf den Bildschirm übertragen zu haben.
Eine ganze Menge von diesem Ballast schleppt die Fantasy seither noch immer mit sich durch die Gegend. Natürlich gab es hin und wieder mal Versuche, das starre Schema zu durchbrechen. Stan Nicholls mag einem da beispielsweise einfallen. Ich glaube trotzdem, dass es letztendlich Andrzej Sapkowski war, der den gordischen Knoten durchschlagen hat. Seinen Hexer Geralt ersann er irgendwann in den ausklingenden 1980er Jahren. 1990 erschienen in Polen einige erste Kurzgeschichten, die ob ihrer einzigartigen Mischung aus
deutscher und slawischer Sagen- und Märchenwelt und ihres derben literarischen Tones, der sich mal wie eine Parodie des klassischen Fantasy-Genres und mal wie pure Comedy liest, recht schnell Aufmerksamkeit erregten. Der narbenübersäte Geralt ist ein freischaffender, genmutierter Monsterschlächter, der sich mehr schlecht als recht in einer an das europäische Hochmittelalter angelehnten High-Fantasy-Welt über Wasser hält, in der mehr oder weniger jeder Dreck am Stecken zu haben scheint, Intrigen spinnt, das Gegenüber auszutricksen und zu übervorteilen sucht, Schwächere drangsaliert, Minderheiten verabscheut, Frauen
missbraucht und überhaupt ein moralisches Schwein ist. Nicht selten erweisen sich ausgerechnet die Monster, die Geralt für Geld mit Hilfe seiner Schwertkünste und magischen Tricks erschlagen soll, als Opfer der Umstände, wird Gut in der Auflösung der Geschichte zu Ungut, erweist sich das scheinbare Opfer als Täter. Und auch die sonst so gern als moralisch höher stehend geschilderten Elfen mischen in diesem abgründigen Reigen munter mit. Eine Welt der ambivalenten Grautöne, in der alles einen doppelten Boden hat. Und durch die
Geralt stolpert wie Don Quichotte. Allerdings mit mehr Schlag bei den Frauen.
Das Ganze war so offensichtlich anders als die übliche Fantasy, dass Sapkowski aufgrund des großen Interesses und weil er das Potenzial seiner Figur sah mit einem fünfteiligen Romanzyklus nachlegte. Die Geschichte wird damit zwangsläufig größer und schwerer (durchaus vergleichbar mit Tolkiens Schritt vom Hobbit zum Herrn der Ringe) – ohne dass sie aber ihre Sicht auf die Dinge Preis gäbe. Intrigen der Mächtigen überall, blutige Bürgerkämpfe, auf denen keine Seite die Moral für sich gepachtet hat, Elfen und Zwerge, die in einer für sie immer kleiner werdenden Welt häufig zu genauso großen Rassisten geworden sind wie ihre menschlichen Widersacher, korrupte Könige, faschistoide Zauberer, Mord und Totschlag auf dem Rücken der Schwächsten. Und zwischen allen Fronten der Außenseiter und ganz bestimmt nicht Retter der Welt Geralt, der versucht, sich auf keine Seite ziehen zu lassen und zumindest seinen engsten Freunden das Leben zu retten. Gute, spannende
Unterhaltungs-Literatur mit Grips.
Es ist das große Verdienst von CD Projekt, diese Welt kongenial in ein RPG auf den Bildschirm übertragen zu haben.
Im Vierten Akt wird alles anders
Wenn ich darüber nachdenke, was das Spielerlebnis von The Witcher für mich zu etwas
Besonderem macht und im Rahmen meiner einigermaßen umfangreichen RPG-Konsumenten-Karriere zu einem bemerkenswerten Erlebnis werden ließ, dann fällt mir stets das vierte Kapitel des Spiels ein. Denn in diesem vierten von insgesamt fünf Kapiteln (plus Prolog und Epilog) nimmt CDP bewusst das Tempo aus der Handlung und versetzt unseren Helden quasi in den Urlaub, fort aus Wyzima, wo es im Finale des dritten Kapitels zu einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse kam, nach Trübwasser aufs Dorf. Moment mal… Da war doch was, rüttelt es dem Deutschkurs-Abiturler durchs alkohl- und videospielzerfressene Hirn. Fünf
Kapitel, Handlungshöhepunkt am Ende des dritten, danach Zurückfahren und zeitweiliges Beruhigen der Fabel in Kapitel 4? Das ist doch … das Klassische Drama! Eben, eben. Peripetie und retardierendes Moment. In Polen hält man eben noch etwas auf seine humanistische Bildung. Dieses 4. Kapitel, der 4. Akt des Stückes ist neben einigen kleineren Neuerungen das größte Geschenk dieses Spieles von 2007 an das Genre. So was hat meines Wissens nach bisher noch keiner gemacht. Und für diesen Kniff liebe ich The Witcher. Eben noch Aug in Aug mit dem sicheren Tod –und eine Teleportation durch Triss später ist man plötzlich in
einer verwunschenen Seenlandschaft und wird durch ein kleines Mädchen am Ufer erstmal über den neuesten Dorfklatsch aufgeklärt, um ein paar Schritte weiter einer nackten Nyade über den Weg zu laufen, die beim Bad im Fluss ihren Halsschmuck verloren hat. Goldene Getreidehalme wiegen sich in der Hochsommerluft, üppige Bäuerinnen wollen verführt sein, der Liebsten in der fernen Stadt wird mit Hilfe Rittersporns ein Liebesbrief aufgesetzt, es gibt
drollige Kobold-Quests, Bezugnahmen auf die slawische Sagenwelt von Mittagsfrau/Připołdnica bis zur versunkenen Stadt Vineta, die ebenso schöne wie einsame Herrin vom See und als Krönung und Mainquest oben drauf eine tragische Liebesgeschichte, die einer bekannten Fabel der polnischen Romantik entlehnt wurde. Ach, wie schön! Und wie gekonnt all das am Ende des Kapitels wieder zurückgeholt wird in das hinter den Kulissen weiter seinem bitteren Finale zustrebende Drama. Das ist nicht nur gutes erzählerisches Handwerk. Das ist richtig hohes Niveau. Vorbildlich. Man kann dafür gar nicht genug Lob
zollen.
Es gibt natürlich noch viel mehr zu loben. Zum Beispiel, wie CDP die im Spiel getroffenen Entscheidungen später in die Handlung einfließen lässt. Es ist eben nicht mehr lediglich der gesprochene Endscreen. Es ist ein in den Fluss der Geschichte eingereihtes Handlungsmoment, über das ich mir im Moment der Entscheidung noch nicht im Klaren bin. Oder die Konsequenz mit der man Geralt eben nicht zum beliebig formbaren 0815 – RPG – Heldencharakter frei gibt, sondern gerade durch seine durch die Geschichte vordefinierte
Persönlichkeit und seine begrenzten Fähigkeiten zu einem der interessantesten
Hauptcharaktere eines Rollenspiels macht, der mir bisher untergekommen ist. Es gibt hier nicht die wunderschön aussehende, große Freiheit und dadurch eben auch Beliebigkeit eines Elder Scroll – Titels oder den tausendundersten Namenlosen Helden. Stattdessen gibt es eine richtige Geschichte mit richtigen Figuren, in einer trotz ihres Fantasy-Charakters in ihren Konflikten absolut plausibel erscheinenden, komplexen Welt. So sieht für mich
Videospielunterhaltung für Erwachsene aus.
Ich könnte jetzt hier seitenlang weiter machen. Ich mag das Artdesign dieses Spiels, ich mag die historische Sorgfalt, die bei den Entwürfen der Siedlungen im Spiel deutlich wird, ich mag eigentlich auch das Kampfsystem. Mir gefällt die Musik. Ich finde absolut großartig, wie man die klassische Götterquest ersetzt hat durch das Boxturnier und die „Zahn-Quest“, die völlig überraschend am Ende zusammen laufen. Ich mag das Würfelpoker-Spiel. Ich denke noch jetzt gerne an die Party abends bei Shani in ihrer Wohnung zurück. Ich mag die Vielfalt des Monsterdesigns und die Finessen der Alchemie in diesem Spiel. Für einen Teil von mir ist The Witcher das beste Schulterperspektiven-RPG meiner Spielerlaufbahn.
Aber.
Besonderem macht und im Rahmen meiner einigermaßen umfangreichen RPG-Konsumenten-Karriere zu einem bemerkenswerten Erlebnis werden ließ, dann fällt mir stets das vierte Kapitel des Spiels ein. Denn in diesem vierten von insgesamt fünf Kapiteln (plus Prolog und Epilog) nimmt CDP bewusst das Tempo aus der Handlung und versetzt unseren Helden quasi in den Urlaub, fort aus Wyzima, wo es im Finale des dritten Kapitels zu einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse kam, nach Trübwasser aufs Dorf. Moment mal… Da war doch was, rüttelt es dem Deutschkurs-Abiturler durchs alkohl- und videospielzerfressene Hirn. Fünf
Kapitel, Handlungshöhepunkt am Ende des dritten, danach Zurückfahren und zeitweiliges Beruhigen der Fabel in Kapitel 4? Das ist doch … das Klassische Drama! Eben, eben. Peripetie und retardierendes Moment. In Polen hält man eben noch etwas auf seine humanistische Bildung. Dieses 4. Kapitel, der 4. Akt des Stückes ist neben einigen kleineren Neuerungen das größte Geschenk dieses Spieles von 2007 an das Genre. So was hat meines Wissens nach bisher noch keiner gemacht. Und für diesen Kniff liebe ich The Witcher. Eben noch Aug in Aug mit dem sicheren Tod –und eine Teleportation durch Triss später ist man plötzlich in
einer verwunschenen Seenlandschaft und wird durch ein kleines Mädchen am Ufer erstmal über den neuesten Dorfklatsch aufgeklärt, um ein paar Schritte weiter einer nackten Nyade über den Weg zu laufen, die beim Bad im Fluss ihren Halsschmuck verloren hat. Goldene Getreidehalme wiegen sich in der Hochsommerluft, üppige Bäuerinnen wollen verführt sein, der Liebsten in der fernen Stadt wird mit Hilfe Rittersporns ein Liebesbrief aufgesetzt, es gibt
drollige Kobold-Quests, Bezugnahmen auf die slawische Sagenwelt von Mittagsfrau/Připołdnica bis zur versunkenen Stadt Vineta, die ebenso schöne wie einsame Herrin vom See und als Krönung und Mainquest oben drauf eine tragische Liebesgeschichte, die einer bekannten Fabel der polnischen Romantik entlehnt wurde. Ach, wie schön! Und wie gekonnt all das am Ende des Kapitels wieder zurückgeholt wird in das hinter den Kulissen weiter seinem bitteren Finale zustrebende Drama. Das ist nicht nur gutes erzählerisches Handwerk. Das ist richtig hohes Niveau. Vorbildlich. Man kann dafür gar nicht genug Lob
zollen.
Es gibt natürlich noch viel mehr zu loben. Zum Beispiel, wie CDP die im Spiel getroffenen Entscheidungen später in die Handlung einfließen lässt. Es ist eben nicht mehr lediglich der gesprochene Endscreen. Es ist ein in den Fluss der Geschichte eingereihtes Handlungsmoment, über das ich mir im Moment der Entscheidung noch nicht im Klaren bin. Oder die Konsequenz mit der man Geralt eben nicht zum beliebig formbaren 0815 – RPG – Heldencharakter frei gibt, sondern gerade durch seine durch die Geschichte vordefinierte
Persönlichkeit und seine begrenzten Fähigkeiten zu einem der interessantesten
Hauptcharaktere eines Rollenspiels macht, der mir bisher untergekommen ist. Es gibt hier nicht die wunderschön aussehende, große Freiheit und dadurch eben auch Beliebigkeit eines Elder Scroll – Titels oder den tausendundersten Namenlosen Helden. Stattdessen gibt es eine richtige Geschichte mit richtigen Figuren, in einer trotz ihres Fantasy-Charakters in ihren Konflikten absolut plausibel erscheinenden, komplexen Welt. So sieht für mich
Videospielunterhaltung für Erwachsene aus.
Ich könnte jetzt hier seitenlang weiter machen. Ich mag das Artdesign dieses Spiels, ich mag die historische Sorgfalt, die bei den Entwürfen der Siedlungen im Spiel deutlich wird, ich mag eigentlich auch das Kampfsystem. Mir gefällt die Musik. Ich finde absolut großartig, wie man die klassische Götterquest ersetzt hat durch das Boxturnier und die „Zahn-Quest“, die völlig überraschend am Ende zusammen laufen. Ich mag das Würfelpoker-Spiel. Ich denke noch jetzt gerne an die Party abends bei Shani in ihrer Wohnung zurück. Ich mag die Vielfalt des Monsterdesigns und die Finessen der Alchemie in diesem Spiel. Für einen Teil von mir ist The Witcher das beste Schulterperspektiven-RPG meiner Spielerlaufbahn.
Aber.
Welpenschutz - und wo er endet
The Witcher ist ein RPG-Erstling. Ein bisschen genießt er also auch Welpenschutz. Sich mit einem kleinen Team und einem völlig neuen Franchise, das auf einer im Westen unbekannten literarischen Vorlage beruht, die in einigen Aspekten deutlich fern der ausgetretenen Pfade wandelt, ausgerechnet in den High-Fantasy-Bereich zu wagen – und dann auch noch exklusiv
für den PC – das ist ein mutiger Schritt. Und dann kommt ein Spiel dabei heraus, das gleich den Status eines Hoffnungsträgers im Genre für sich beanspruchen kann. Respekt, CDP. Eine Menge Kritikpunkte bin ich bereit, da etwas weniger schwer zu gewichten.
Ja, auch in der Extended Version ist das Inventar immer noch ein Kreuz. Man mag sich gar nicht vorstellen wie zugemüllt und unübersichtlich es in der Ursprungsversion gewesen sein muss, als es noch kein Extrafach für die alchemistischen Zutaten gab.
Ja, das Höhlen- und Häuser-Recycling lässt einen mit dem Kopf schütteln. Die einzige Höhle im Sumpf muss für insgesamt drei Quests herhalten, in denen jedes Mal so getan wird, als sei das jetzt ein neuer Ort. Im Tempelviertel von Wyzima fungiert ein und dasselbe Haus außerhalb der Quests als Wohnstätte einer Familie, um innerhalb einer Quest plötzlich der
Unterschlupf eines Fisstech-Dealers zu sein.
Ja, die Ladezeiten. Mit meinem Sommer-2011-Rechner haben sie nun endlich erträgliche Ausmaße angenommen.
Ja, der verunglückte Savegame-Ordner, der für jeden Save einen neuen Stand anlegt und schnell mehrer GB groß ist.
Ja, die NPC-Kloneritis nimmt in The Witcher teils absurde Züge an.
Ja, Wyzima wird als Schauplatz mit drei von fünf Kapiteln zu stark überdehnt.
Ja, der Sumpf ist latent nervig.
Ja, es nervt tierisch, dass Geralt selbst in einer Gefahrenzone nach jedem Einzelkampf sein Schwert binnen kürzester Zeit automatisch wieder wegsteckt, obwohl man es wenige Meter weiter gleich wieder fummelig von neuem ziehen muss.
Ja, die Gegner-KI beim Würfelpoker, die obwohl sie ganz klar die zweite Runde gewonnen hat noch mal würfelt, ist blöde und umständlich.
Ja, man wird in The Witcher zu schnell zum Krösus und hockt auf Geldmengen, für die es kaum Dinge von Interesse zu kaufen gibt.
Ja, drei von fünf Hexer-Zeichen sind eigentlich nix weiter als Spielerei und eher umständlich als eine wirkliche Hilfe.
Ja, es gibt auch in der Extended Version immer noch viel zu viele Crashs zum Desktop.
Ja, Alvin ist als Objekt der Fürsorge und Ängste des Hexers für den Spieler nach meinem persönlichen Empfinden nicht sympathisch genug.
Schenke ich Euch. Alles keine Unverzeihlichkeiten. Verhindern zwar ein „Ausgezeichnet“. Aber so was ist bei einem Erstling noch jedem Entwicklerstudio-Neuling zu Kopfe gestiegen und daher eh kaum erstrebenswert. Es ist gut, wenn man nach der Premiere noch besser werden
kann.
Was ist also das Problem? Ich zitiere dazu aus dem Handbuch, Seite 14-15, Punkt 4.2 „Neues Spiel“. Hier heißt es:
„Schwer – für sehr erfahrene Spieler. Ungeheuer und andere Gegner sind deutlich stärker, die Klick-Intervalle sind kurz, Geralt sammelt langsamer Erfahrung. Auf dieser Stufe können bestimmte Gegner nicht ohne Anwendung von Alchemie besiegt werden.“
Bei meinem insgesamt dritten Durchlauf von The Witcher wollte ich es wissen. Ja zur Alchemie, ja zum exzessiven Gebrauch von Tränken, ja zu härteren Gegnern, ja zu langsameren Stufenaufstiegen und dem Zwang, die Charakterentwicklung stärker zu fokussieren. Hardcore olé. Das Ergebnis? Ab der Mitte des dritten Kapitels – und damit kurz nach der Hälfte des Spiels – war ich quasi unbesiegbar. The Witcher bringt das Kunststück fertig, auf „schwer“ einfacher zu sein als auf „mittel“.
Rollenspiele sind eine absurde Sache. Die ganze Zeit über arbeitet man sich auf den Moment hin, wo der eigene Avatar in der Welt nicht mehr zu besiegen ist. Und exakt mit dem Erreichen dieses Punktes verliert das Rollenspiel dann schlagartig seinen Reiz. Daraus folgt, dass dieser Punkt erst im Finale des Spiels erreicht werden darf. Ihn aber weiter nach vorn in das Spiel hinein zu verlegen, ist der Kardinalfehler, den man hier begehen kann. Die Todsünde. Und genau das ist CDP in The Witcher unterlaufen.
Woran liegt´s? Es liegt daran, dass Geralt auch auf schwer immer noch viel zu viele Talente für den Levelaufstieg erhält. Im Grunde muss man sich selbst zwingen, sie nicht einzusetzen, um sich nicht den Spielspaß zu nehmen. Was natürlich absurd ist, da es dem Hauptreiz eines Rollenspiels widerspricht – dem Aufleveln der Figur. Leider bemerkt man das aber erst in dem
Moment, an dem es bereits zu spät ist. Man bekommt zwar nicht sämtliche Charakterpfade auf Max. Aber es sind immer noch viel zu viele. Außerdem wähnt man sich ja im schweren Modus des Spiels und nimmt daher die Hinweise des Handbuchs ernst. Man skillt also Alchemie, um sich mit Tränken dopen zu können und Öle für die Klinge zu präparieren, wie es ein richtiger Hexer eben tut. Und damit tappt man in die zweite, von CDP unabsichtlich gebaute Spielspaß-Falle. Denn der Alchemiebaum wird in The Witcher über die Intelligenz-Entwicklung ausgebaut. Und mit eben dieser wird auch die Zeichenintensität bestimmt. Ehe man es sich versieht, hat man, weil man seine Talente ja irgendwo hinpacken will,
unbeabsichtigt Aard und vor allem Igni auf Stufe 3. Und damit ist man nur noch durch einige wenige Levelbosse besiegbar, wenn man sich nicht dazu zwingt, völlig auf die Verwendung offensiver Zeichen zu verzichten. Ich habe mir zum Schluss mal den Spaß gemacht und den Epilog versucht, nur mit dem Feuerzauber Igni durchzuspielen. Völlig ohne Schwerteinsatz. Vorher noch Petris Wundertrank für die Zeichenintensität und einmal Waldkauz für die Ausdauergeneration eingeworfen. Was soll ich sagen: es geht. Kein Problem. Ohne einmal das Schwert zu zücken, auf „schwer“, inclusive zweier Endgegner, vor deren Begegnung im
Epilog noch einmal ordentlich Schiss verbreitet wird. The Witcher als Flammenzauber-Shooter. Es ist lächerlich.
für den PC – das ist ein mutiger Schritt. Und dann kommt ein Spiel dabei heraus, das gleich den Status eines Hoffnungsträgers im Genre für sich beanspruchen kann. Respekt, CDP. Eine Menge Kritikpunkte bin ich bereit, da etwas weniger schwer zu gewichten.
Ja, auch in der Extended Version ist das Inventar immer noch ein Kreuz. Man mag sich gar nicht vorstellen wie zugemüllt und unübersichtlich es in der Ursprungsversion gewesen sein muss, als es noch kein Extrafach für die alchemistischen Zutaten gab.
Ja, das Höhlen- und Häuser-Recycling lässt einen mit dem Kopf schütteln. Die einzige Höhle im Sumpf muss für insgesamt drei Quests herhalten, in denen jedes Mal so getan wird, als sei das jetzt ein neuer Ort. Im Tempelviertel von Wyzima fungiert ein und dasselbe Haus außerhalb der Quests als Wohnstätte einer Familie, um innerhalb einer Quest plötzlich der
Unterschlupf eines Fisstech-Dealers zu sein.
Ja, die Ladezeiten. Mit meinem Sommer-2011-Rechner haben sie nun endlich erträgliche Ausmaße angenommen.
Ja, der verunglückte Savegame-Ordner, der für jeden Save einen neuen Stand anlegt und schnell mehrer GB groß ist.
Ja, die NPC-Kloneritis nimmt in The Witcher teils absurde Züge an.
Ja, Wyzima wird als Schauplatz mit drei von fünf Kapiteln zu stark überdehnt.
Ja, der Sumpf ist latent nervig.
Ja, es nervt tierisch, dass Geralt selbst in einer Gefahrenzone nach jedem Einzelkampf sein Schwert binnen kürzester Zeit automatisch wieder wegsteckt, obwohl man es wenige Meter weiter gleich wieder fummelig von neuem ziehen muss.
Ja, die Gegner-KI beim Würfelpoker, die obwohl sie ganz klar die zweite Runde gewonnen hat noch mal würfelt, ist blöde und umständlich.
Ja, man wird in The Witcher zu schnell zum Krösus und hockt auf Geldmengen, für die es kaum Dinge von Interesse zu kaufen gibt.
Ja, drei von fünf Hexer-Zeichen sind eigentlich nix weiter als Spielerei und eher umständlich als eine wirkliche Hilfe.
Ja, es gibt auch in der Extended Version immer noch viel zu viele Crashs zum Desktop.
Ja, Alvin ist als Objekt der Fürsorge und Ängste des Hexers für den Spieler nach meinem persönlichen Empfinden nicht sympathisch genug.
Schenke ich Euch. Alles keine Unverzeihlichkeiten. Verhindern zwar ein „Ausgezeichnet“. Aber so was ist bei einem Erstling noch jedem Entwicklerstudio-Neuling zu Kopfe gestiegen und daher eh kaum erstrebenswert. Es ist gut, wenn man nach der Premiere noch besser werden
kann.
Was ist also das Problem? Ich zitiere dazu aus dem Handbuch, Seite 14-15, Punkt 4.2 „Neues Spiel“. Hier heißt es:
„Schwer – für sehr erfahrene Spieler. Ungeheuer und andere Gegner sind deutlich stärker, die Klick-Intervalle sind kurz, Geralt sammelt langsamer Erfahrung. Auf dieser Stufe können bestimmte Gegner nicht ohne Anwendung von Alchemie besiegt werden.“
Bei meinem insgesamt dritten Durchlauf von The Witcher wollte ich es wissen. Ja zur Alchemie, ja zum exzessiven Gebrauch von Tränken, ja zu härteren Gegnern, ja zu langsameren Stufenaufstiegen und dem Zwang, die Charakterentwicklung stärker zu fokussieren. Hardcore olé. Das Ergebnis? Ab der Mitte des dritten Kapitels – und damit kurz nach der Hälfte des Spiels – war ich quasi unbesiegbar. The Witcher bringt das Kunststück fertig, auf „schwer“ einfacher zu sein als auf „mittel“.
Rollenspiele sind eine absurde Sache. Die ganze Zeit über arbeitet man sich auf den Moment hin, wo der eigene Avatar in der Welt nicht mehr zu besiegen ist. Und exakt mit dem Erreichen dieses Punktes verliert das Rollenspiel dann schlagartig seinen Reiz. Daraus folgt, dass dieser Punkt erst im Finale des Spiels erreicht werden darf. Ihn aber weiter nach vorn in das Spiel hinein zu verlegen, ist der Kardinalfehler, den man hier begehen kann. Die Todsünde. Und genau das ist CDP in The Witcher unterlaufen.
Woran liegt´s? Es liegt daran, dass Geralt auch auf schwer immer noch viel zu viele Talente für den Levelaufstieg erhält. Im Grunde muss man sich selbst zwingen, sie nicht einzusetzen, um sich nicht den Spielspaß zu nehmen. Was natürlich absurd ist, da es dem Hauptreiz eines Rollenspiels widerspricht – dem Aufleveln der Figur. Leider bemerkt man das aber erst in dem
Moment, an dem es bereits zu spät ist. Man bekommt zwar nicht sämtliche Charakterpfade auf Max. Aber es sind immer noch viel zu viele. Außerdem wähnt man sich ja im schweren Modus des Spiels und nimmt daher die Hinweise des Handbuchs ernst. Man skillt also Alchemie, um sich mit Tränken dopen zu können und Öle für die Klinge zu präparieren, wie es ein richtiger Hexer eben tut. Und damit tappt man in die zweite, von CDP unabsichtlich gebaute Spielspaß-Falle. Denn der Alchemiebaum wird in The Witcher über die Intelligenz-Entwicklung ausgebaut. Und mit eben dieser wird auch die Zeichenintensität bestimmt. Ehe man es sich versieht, hat man, weil man seine Talente ja irgendwo hinpacken will,
unbeabsichtigt Aard und vor allem Igni auf Stufe 3. Und damit ist man nur noch durch einige wenige Levelbosse besiegbar, wenn man sich nicht dazu zwingt, völlig auf die Verwendung offensiver Zeichen zu verzichten. Ich habe mir zum Schluss mal den Spaß gemacht und den Epilog versucht, nur mit dem Feuerzauber Igni durchzuspielen. Völlig ohne Schwerteinsatz. Vorher noch Petris Wundertrank für die Zeichenintensität und einmal Waldkauz für die Ausdauergeneration eingeworfen. Was soll ich sagen: es geht. Kein Problem. Ohne einmal das Schwert zu zücken, auf „schwer“, inclusive zweier Endgegner, vor deren Begegnung im
Epilog noch einmal ordentlich Schiss verbreitet wird. The Witcher als Flammenzauber-Shooter. Es ist lächerlich.
Letztenendes aber ...
So. Man könnte jetzt einzuwenden versuchen: Hey, Du kennst eben alle Questmöglichkeiten, Du weißt im Voraus, wo die harten Gegner warten usw. Du kennst das Spiel zu gut, und deswegen ist es auch auf „schwer“ für Dich keine Herausforderung mehr. Aber das ist Nonsens. Denn es würde bedeuten, dass CDP den Spielstand „schwer“ für Erstspieler von The Witcher gecoded hat. Nein. Das haben sie schlicht verbockt. Und das ist wirklich ein
schlimmer Faux pas.
Trotzdem kann ich dem Spiel nicht wirklich böse sein. Denn es hat Charme. Es hat Tiefe. Es hat Charakter. Es ist erzählerisch klug. Und bis zur Hälfte ist es auch spielerisch eine Herausforderung. Und danach kann man in Akt 4 in Trübwasser an den Blumen riechen. Und in Akt 5 Adda von ihrem Fluch befreien. Und, und, und. Trotz allem also dann doch das Eingeständnis: Ich liebe dieses Spiel.
schlimmer Faux pas.
Trotzdem kann ich dem Spiel nicht wirklich böse sein. Denn es hat Charme. Es hat Tiefe. Es hat Charakter. Es ist erzählerisch klug. Und bis zur Hälfte ist es auch spielerisch eine Herausforderung. Und danach kann man in Akt 4 in Trübwasser an den Blumen riechen. Und in Akt 5 Adda von ihrem Fluch befreien. Und, und, und. Trotz allem also dann doch das Eingeständnis: Ich liebe dieses Spiel.