Die kantorka ruft
Berlinska dróha legen mit "Wočiń durje!" ihr zweites Album
vor
Für die Öffentlichkeit begann alles am 8. November des
vergangenen Jahres. An diesem Tag stellte der Berliner Kleinstverlag Vetoria
Records auf der Crowdfunding-Plattform startnext den Aufruf ins Netz, für die
Produktion des zweiten Albums von Berlinska dróha zu spenden. Schwarmfinanzierung
ist gerade in aller Munde. Menschen finden sich zusammen, um unter Umgehung des
herkömmlichen Verlagswesens und seiner Marktzwänge Künstlern bei der Umsetzung
ihrer Ziele zu helfen. Wird eine zuvor festgelegte Summe an Spenden erreicht,
erhalten die Projekturheber dieses Geld und machen sich an die Arbeit.
Scheitert das Projekt, bekommt jeder seinen zugesagten Betrag zurück und das
Vorhaben kommt zu den Akten. Für "Wočiń durje!" war es ein Herzschlagfinale. Knapp
vor Ende der Spendenfrist waren zwei Monate später die dreitausend Euro
beisammen. Unterstützungen kamen aus der Lausitz selbst, aus ihrer Exilgemeinde
in den großen deutschen Städten und aus der weiten Welt. Sogar ein Nachfahre
der Texas-Auswanderer beteiligte sich unter stolzem Verweis auf seine
sorbischen Wurzeln aus den USA. Ein Hoch auf das Internet!
Nun liegt die zweite Platte, eingehüllt in ein schönes vierfarbiges Siebdruckbooklet mit qualitätvoller Comicgestaltung also seit ein paar Wochen vor. Doch nicht nur bei den äußeren Werten kann seit dem Erstling "Wokoło róžka" von 2011 eine Weiterentwicklung verzeichnet werden. Sie ruht dabei auf der sicheren Grundlage der bisherigen Arbeit dieses einzigartigen deutsch-sorbischen Bandprojekts. Auch auf "Wočiń durje!" finden sich wie beim Vorgänger zwölf Songs. Wieder sind sechs in sorbischer Sprache darunter, fünf in Obersorbisch, einer in Niedersorbisch. Dazu gesellen sich fünf deutschsprachige Lieder und erstmals auch ein Stück mit englischem Text. Diese "deutsche Hälfte" hat inhaltlich erneut Paul Geigerzähler besorgt. Sie ist stilistisch wie textlich mit den Liedern von 2011 eng verwandt und steht damit für die Wurzeln der Band in der linksalternativen Berliner Szene. Charmante Straßenmusik für die Antifa. Ein bisschen Berliner Schnauze. Und immer wieder Protestliedpotenzial. Vor allem "Was soll schon sein" mit seinem Aufruf zur gegenseitigen Solidarität angesichts Mietwucher und Arbeitgeberdruck ist hier zu nennen. Dass Paul es aber auch leise kann, zeigt er mit "Druck", das auch deswegen Erwähnung finden muss, weil sich mit dem Lied stilistisch die Brücke in die "sorbische Hälfte" der Platte auftut. Für sie zeichnet textlich wie schon 2011 wieder Uta Šwejdźic verantwortlich. Und hier passiert nun so einiges! Einmal musikalisch mit selbstbewussten Anleihen von Tango bis Reggae. Aber auch in den Texten. Hatte sich Uta auf "Wokoło róžka" noch stärker auf Neuadaptionen sorbischer Volkslieder gestützt, so finden sich diesmal fast ausnahmslos Texte aus ihrer eigenen Feder. Leidenschaftliche Liebeslieder wie kämpferische Trennungslieder sind darunter. Das bitterironische "Sobuželnosć ze sobu" fügt eine bemerkenswerte lausitzisch-sorbische Note zu dem zuletzt durch Kraftklub auf die Pop-Agenda Ostdeutschlands geholten Thema um den anhaltenden Abwanderungsdruck auf die hiesige Jugend hinzu. Die beiden geografischen Pole des Bandprojektes – Berlin und die Lausitz – werden so in einigen der Lieder verstärkt zum inhaltlichen Quell der Auseinandersetzung um die eigene Identität. Mit "Z tobu sobu" schließlich erreichen Paul und Uta dann auch kompositorisch ein neues Ufer. Das Lied ist im positiven Sinne charttauglich. Pauls Geigenspiel findet hier neue Nuancen und Uta nähert sich mit Gesang und Klavierperformance einem Niveau, das an die frühen Tage großer Klavier-Pop-Frauen wie Kate Bush oder Tori Amos erinnert. Und wenn sie dann im Ausklang von "Wočiń durje!" voller Hingabe "Schylila jo se" intoniert, weiß man, dass man zu ihnen getrost noch Marja Kudźelina hinzuzählen darf.
Berlinska dróha sind als offen deutsch-sorbische Mischung mit ihrer selbstbewussten und humorvoll-unverkrampftem Verortung zwischen allen (kultur)nationalen Stühlen auch mit ihrem zweiten Album nach wie vor ein ziemlich singuläres Phänomen im Kulturleben entlang der Spree. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie glatt erfinden! Mit "Wočiń durje!" haben sie nun buchstäblich die Tür zu neuen Songwelten aufgestoßen. Man darf gespannt sein, was sie uns beim nächsten Mal aus ihnen mitbringen werden.
"Wočiń durje!" ist unter anderem in der Smolerschen Verlagsbuchhandlung in Bautzen, bei Liveauftritten der Band sowie auf der Internetseite von Vetoria Records (www.vetoria.de) erhältlich.
Nun liegt die zweite Platte, eingehüllt in ein schönes vierfarbiges Siebdruckbooklet mit qualitätvoller Comicgestaltung also seit ein paar Wochen vor. Doch nicht nur bei den äußeren Werten kann seit dem Erstling "Wokoło róžka" von 2011 eine Weiterentwicklung verzeichnet werden. Sie ruht dabei auf der sicheren Grundlage der bisherigen Arbeit dieses einzigartigen deutsch-sorbischen Bandprojekts. Auch auf "Wočiń durje!" finden sich wie beim Vorgänger zwölf Songs. Wieder sind sechs in sorbischer Sprache darunter, fünf in Obersorbisch, einer in Niedersorbisch. Dazu gesellen sich fünf deutschsprachige Lieder und erstmals auch ein Stück mit englischem Text. Diese "deutsche Hälfte" hat inhaltlich erneut Paul Geigerzähler besorgt. Sie ist stilistisch wie textlich mit den Liedern von 2011 eng verwandt und steht damit für die Wurzeln der Band in der linksalternativen Berliner Szene. Charmante Straßenmusik für die Antifa. Ein bisschen Berliner Schnauze. Und immer wieder Protestliedpotenzial. Vor allem "Was soll schon sein" mit seinem Aufruf zur gegenseitigen Solidarität angesichts Mietwucher und Arbeitgeberdruck ist hier zu nennen. Dass Paul es aber auch leise kann, zeigt er mit "Druck", das auch deswegen Erwähnung finden muss, weil sich mit dem Lied stilistisch die Brücke in die "sorbische Hälfte" der Platte auftut. Für sie zeichnet textlich wie schon 2011 wieder Uta Šwejdźic verantwortlich. Und hier passiert nun so einiges! Einmal musikalisch mit selbstbewussten Anleihen von Tango bis Reggae. Aber auch in den Texten. Hatte sich Uta auf "Wokoło róžka" noch stärker auf Neuadaptionen sorbischer Volkslieder gestützt, so finden sich diesmal fast ausnahmslos Texte aus ihrer eigenen Feder. Leidenschaftliche Liebeslieder wie kämpferische Trennungslieder sind darunter. Das bitterironische "Sobuželnosć ze sobu" fügt eine bemerkenswerte lausitzisch-sorbische Note zu dem zuletzt durch Kraftklub auf die Pop-Agenda Ostdeutschlands geholten Thema um den anhaltenden Abwanderungsdruck auf die hiesige Jugend hinzu. Die beiden geografischen Pole des Bandprojektes – Berlin und die Lausitz – werden so in einigen der Lieder verstärkt zum inhaltlichen Quell der Auseinandersetzung um die eigene Identität. Mit "Z tobu sobu" schließlich erreichen Paul und Uta dann auch kompositorisch ein neues Ufer. Das Lied ist im positiven Sinne charttauglich. Pauls Geigenspiel findet hier neue Nuancen und Uta nähert sich mit Gesang und Klavierperformance einem Niveau, das an die frühen Tage großer Klavier-Pop-Frauen wie Kate Bush oder Tori Amos erinnert. Und wenn sie dann im Ausklang von "Wočiń durje!" voller Hingabe "Schylila jo se" intoniert, weiß man, dass man zu ihnen getrost noch Marja Kudźelina hinzuzählen darf.
Berlinska dróha sind als offen deutsch-sorbische Mischung mit ihrer selbstbewussten und humorvoll-unverkrampftem Verortung zwischen allen (kultur)nationalen Stühlen auch mit ihrem zweiten Album nach wie vor ein ziemlich singuläres Phänomen im Kulturleben entlang der Spree. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie glatt erfinden! Mit "Wočiń durje!" haben sie nun buchstäblich die Tür zu neuen Songwelten aufgestoßen. Man darf gespannt sein, was sie uns beim nächsten Mal aus ihnen mitbringen werden.
"Wočiń durje!" ist unter anderem in der Smolerschen Verlagsbuchhandlung in Bautzen, bei Liveauftritten der Band sowie auf der Internetseite von Vetoria Records (www.vetoria.de) erhältlich.